Prof. Dr. phil. Frank Unger
Statement
Bildung für die und in der Arbeitswelt der Zukunft bedeutet insbesondere die Stärkung einer fachübergreifenden, individualisierten Kompetenzvermittlung sowie die Befähigung, in einer „Multioptions-Welt“ mit zunehmender Veränderungsgeschwindigkeit, Unsicherheit und einem nahezu unerschöpflichen Fundus an Informationen und Meinungen angemessen umzugehen. Bezogen auf die dafür notwendigen Fertigkeiten und Fähigkeit kann man festhalten: „Softskills werden zu Hardskills“.
In sog. „postfaktischen Zeiten“ sind es vor allem soziale/kollaborative, digitale, lern- und problemlöseorientierte Kompetenzen, die Menschen (berufliche) Stabilität und Selbstsicherheit im Umgang mit den künftigen Herausforderungen des Arbeitslebens vermitteln. Dabei sollte traditionelles und modernes Wissen Hand in Hand angeboten werden. Informationen sind heute schon jederzeit und von jedem Ort aus abrufbar – vielmehr muss der Umgang mit Informationen und ihre situativ angemessene Anwendung besser gelernt werden. Hierfür sind Komplexitäts- und Ambiguitätstoleranz, kritisches Denken sowie ein grundlegend positives psychologisches Kapital unerlässlich!
Dennoch fokussieren sich Schule wie auch Ausbildung / Studium und berufliche Weiterbildung zum Beispiel (!) noch zu sehr auf kurzfristiges Faktenlernen – weniger auf Hinterfragen, Verstehen und Anwenden, geben Schüler*innen eine kleinteiligen, hochstrukturierten Tagesablauf sowie Arbeitsblätter und PowerPoints vor, statt bei den Lehrenden mehr Autonomie und bei den Lernenden Selbststeuerung und iterative Vorgehen (inkl. einer entspr. Fehlerkultur) zu betonen. Dies bedeutet nicht, dass es nicht bestimmte Wissenselemente gibt, die alle Menschen kennen sollten. Und auch im beruflichen Kontext sind grundlegende Fachkenntnisse für die professionelle Berufsausübung selbstverständlich unerlässlich. Daher bildet Wissen auch künftig die Basis für kompetentes Handeln. Ebenso sind Bildungsziele wie ein Rahmen, der Orientierung gibt und Kernpunkte verdeutlicht, notwendig. Die künftige Schwerpunktsetzung von Bildungsangeboten sowie die Art und Weise, wie ein „selbstbestimmtes, kompetentes, reflektiertes und verantwortliches Handeln in einer komplexen, digital-vernetzten, veränderlichen (Lebens- und Arbeits-)Welt“ entwickelt werden kann, sollte jedoch kritisch diskutiert werden:
- Von der Aneignung und Reproduktion (Auswendig-Lern-Maschinen) zur Förderung der kritischen Analyse und kompetenten Anwendung (Verstehen und Performanz).
- Von der umfassenden Allgemeinbildung zu mehr Lebenskompetenzorientierung.
- Von einheitsqualifikatorischen Angleichungen an Anforderungen der Arbeitswelt zur Fokussierung der subjektiven Seite der Lernenden (individuelles, stärkenorientiertes Lernen).
- Von der fachlichen Wissensvermittlung im Arbeitsleben zur individuellen, selbstgesteuerten Handlungskompetenz.
- Von punktuellen, meist fachlichen Fortbildungen, zu lebensbegleitenden Lernangeboten, die vor allem auch die zuvor skizzierten „überfachlichen Kompetenzen“ herausbilden.
- Von eher apodiktischen Diskussionen über digitale Lernangebote zur Entwicklung sinnvoller und motivierender digitaler Lernsettings sowie deren fundierten Evaluation.
Grundlegendes Wissen und das Wissen festigende, motivierende Übungen können zukünftig viel mehr mit digitalen Angeboten vermittelt werden und damit Lehrende (und Bildungspläne) entlasten. Die klare Herausforderung besteht vielmehr darin, Wissen begreifbarer und individuell „gangbarer“ werden zu lassen, um langfristig anschlussfähig zu sein. Individualität von Lernsettings, die gleichzeitig die sozialen wie emotionalen (Wachstums)Bedürfnisse der Menschen nicht vernachlässigen, sind didaktische Aufgaben, die es anzugehen gilt. Dies lässt der Person der / des Lehrenden eine bedeutende Aufgabe zukommen: Sie muss viel mehr Gesprächspartner bzw. Beraterin, emotionale Begleiterin und Ermöglicher sein, Neugier wecken und für Themen begeistern, zudem mit kritischen Fragen irritieren, um Lernenden die Komplexität und Unterschiedlichkeit von Perspektiven und insbesondere den Umgang damit zu verdeutlichen.
Digitale Lernangebote sind keine Konkurrenz für Lehrende. Sie reduzieren eher Standardaufgaben und verbessern (richtig eingesetzt) die individuelle Entwicklung. Somit können sich die für Schul- und Ausbildung, für Studium und berufliche Weiterbildung verantwortlichen Personen dem wirklichen Kern pädagogischen Handelns widmen: Lebenslanges und biografieorientiertes Lernen aller Menschen als Grundlagen für eine selbstbestimmte, eigenverantwortete Lebensführung in einer komplexen Welt zu ermöglichen.
Der Ruf nach (mehr) digitaler Bildung sowie einer anderen Schule genügt nicht. Man muss auch Menschen ermutigen, dies pädagogisch wertvoll gestalten! Gute Bildung und gute Arbeit benötigen gute Rahmenbedingungen und gute Führung. Bildungs-, Sozial- und Verwaltungsinstitutionen und die dort die Verantwortung tragenden Leitungskräfte haben als wichtigste Ressource ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Diese für die Herausforderungen der Zukunft mitzunehmen, ihnen Orientierung, einen verlässlichen Rahmen und zugleich Gestaltungsspielraum zu geben, sie in ihrer Kompetenzentwicklung zu unterstützen sowie für psychologische Sicherheit / Vertrauen und damit für eine starke Verbundenheit mit der Organisation, den Zielen sowie den dort beschäftigten Menschen zu sorgen, ist die wesentliche Aufgabe guter Personalführung. Auch in Zukunft muss der Mensch im Mittelpunkt organisationaler wie politischer Wandlungsprozesse stehen: Denn nachhaltiger ökonomischer wie ökologischer Erfolg setzt humanen Erfolg voraus!
Biografie
seit 2013 Professur im Bereich „Sozial-, Bildungs- und Verwaltungsmanagement“ mit den Schwerpunkten Leadership & Führungskommunikation sowie Lernen/Lehren (v.a. im Kontext von Personal-/Organisationsentwicklung und Erwachsenenbildung).
Berufliche Erfahrungen u.a.
- seit 2014 Vorsitzender des Praktikumsausschusses für die staatliche Anerkennung von Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen des Fachbereichs Sozialwesen sowie Studiengangsleiter „BASS“
- über 10 Jahre Führungserfahrung (u.a. als operativer Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Kassel, Bereichsleiter, Teamleiter)
- Berater für Akademiker und Führungskräfte
- Langjährige Erfahrung als Trainer und Coach für Führungskräfte sowie im Bereich Kommunikationstraining und für partizipative Strategie- und Teamentwicklung in Unternehmen (vor allem: Bildungsinstitutionen, Soziale Organisationen, Öffentliche Verwaltung)
Studium / Weiterbildung…
- Studium Arbeitsmarktökonomie, Bildungswissenschaften und Verwaltungsmanagement in Mannheim sowie Personal-/ Organisationsentwicklung, Erwachsenenbildung an der Technischen Universität Kaiserslautern
- Promotion an der Fakultät für Bildungswissenschaften der Universität Duisburg – Essen (Institut für Berufs- und Weiterbildung) im Themenfeld „Förderung des Lernens Erwachsener im Kontext der individuellen Lern- und Bildungsbiografie“.
- Fortbildungen im Bereich Lernen, Lehren sowie Bildungsmanagement u.a. an der Harvard Graduate School of Education und am Teachers College / Columbia University.
- Zertifikat im Bereich Psychologie der Führung u.a. The University of Queensland, am MIT (Massachusetts Institute of Technology) sowie an der Case Western Reserve University (Coaching & Leadership).
Zertifikats-Studium “Self-Determination Theory, motivation, development and wellness” n. Deci & Ryan (bei Prof. R. Ryan, University of Rochester). - Case Manager (DGCC) sowie Ausbildung und Trainer in Motivierender Gesprächsführung n. Miller & Rollnick (GK Quest Akademie, Heidelberg).
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