Digitalisierung in den Gesamtschulen

Die Digitalisierung in den Gesamtschulen

Wer erfahren möchte, wie die Digitalisierung in den Gesamtschulen aussieht, muss sich an Frau Zehra Akyol wenden. Frau Akyol ist Lehrerin für Mathematik und Physik  in der Offene Schule Waldau (kurz: OSW) in Kassel. Neben den klassischen Unterricht für die verschiedenen Klassen, versucht sie den Stoff innovativer zu gestalten. Dabei nutzt sie verschiedene Programme und Applikationen. Darüber hinaus veranstaltet sie hausinterne VR-Brillen-Workshops für die Lehrer*innen des Fachs Biologie und Physik. Besonders wichtig ist, dass in jedem Fach die passenden Apps im Voraus ausgesucht sind.

Die OSW ist eine Versuchsschule und eine der Prototypschule für unser Projekt „Schule der Zukunft“. Zusammen mit der Steinwaldschule in Neukirchen, der Helene-Lange-Schule in Wiesbaden und der Reformschule in Kassel ist die OSW eine von vier Versuchsschulen in Hessen. Ein Jahr nach dem Start des Projekts interviewen wir die Leiterin dieses Digitalisierungsprojekts, um den aktuellen Stand zu erfahren.

Frau Zehra Akyol ist Gesamtschullehrerin für Mathematik, Physik und Biologie. Neben den klassischen Unterricht für die verschiedenen Klassen, versucht sie den Stoff innovativer zu gestalten. Dabei nutzt sie verschiedene Programme und Applikationen.
Darüber hinaus veranstaltet sie hausinterne VR-Brillen-Workshops für die Lehrer*innen des Fachs Biologie und Physik. Wichtig sei aber, dass wir in jedem Fach die passenden Apps im Voraus aussuchen. Im Nachhinein wissen wir besser, welche Applikationen besonders gut einsetzbar sind.

1. In dem Projekt „Schule der Zukunft“ geht es zunächst um die Digitalisierung in den Gesamtschulen sowie den Einsatz von neuen Online-Tools im Unterricht. Inwiefern haben sich die Methoden im Klassenraum in den letzten fünf Jahren weiterentwickelt?

Frau Akyol: Unsere Schule macht zwar Fortschritte, aber nicht in dem Maße, wie ich sie mir vorgestellt habe.

Die Kinder sind uns in manchen Dingen voraus und das können wir im Unterricht noch nicht umsetzen. Wir sind gerade dabei, Corona bedingt, die Smartphone im Unterricht zuzulassen – hauptsächlich im Fach Biologie und im Fach Physik, in denen sie Erklärvideos drehen dürfen. Die Smartphones betrachten wir eher als ein Instrument, als ein Werkzeug, das wir wirkungsvoll im Unterricht einsetzen –  natürlich mit den damit verbundenen Apps. Die Vorteile sind für uns alle sofort bemerkbar.

Frau Akyol sagt…

Wir sind gerade dabei, Corona bedingt, die Smartphones im Unterricht zuzulassen – hauptsächlich im Fach Biologie und im Fach Physik, in denen sie Erklärvideos drehen dürfen.

2. Das heißt, es gibt mittlerweile eine andere Art von Austausch zwischen den Lehrkräften und den Kindern. Bringen die Kinder ein gewisses Wissen und Erfahrung mit?

Frau Akyol: Ja, und dadurch, dass sie Erklärvideos drehen, haben sie bereits das Schnittprogramm kennengelernt. Jedes Mal, wenn sie die Lern-Apps benutzen, dürfen sie auch die Handys benutzen.

Lediglich die Räumlichkeiten sind noch nicht ideal. Deshalb ist es wichtig, dass wir die Ausstattung ändern. Ein Beispiel: wenn man etwas projizieren möchte, muss man den Fernseher aus dem Lehrerzimmer mitbringen und den Laptop anschließen. Bis man alles angeschlossen hat, verlieren ca. 5-7 Minuten. Während es in einer „Schule der Zukunft“ nur wenige Sekunden dauern würde.

3. Das führt mich zu unserer nächsten Frage. Die meisten von uns haben eine ungefähre Vorstellung davon, wie schwer es Lehrer*innen aufgrund des Personal- und Zeitmangels im Alltag haben. Wie viel Zeit investieren Sie in die Vorbereitung des Unterrichts und was bedeutet das genau?

Frau Akyol: Ich investiere sehr viel Zeit hinein. Die Gestaltung des Unterrichts ist mir sehr wichtig, deshalb plane ich meine Präsentationen für verschiedene Phasen des Unterrichts bereits zu Hause vor. Selbst die Apps, die ich einsetze, teste ich zu Hause aus, damit der Ablauf besser klappt. Ein Vorteil dabei ist, wenn die Kinder Corona bedingt fehlen, stelle ich diese Informationen über die Schul-Cloud zur Verfügung. Auch wenn es etwas Neues gibt, informiere ich mich, und darauf verwende ich sehr viel Zeit.

Handy im Unterricht

4. Die Benutzung von Handys während des Unterrichts ist in vielen Schulen nach wie vor Tabu. Wie gehen Sie damit um? Wie erhalten die Kinder ihre Hausaufgaben, etwa per WhatsApp?

Frau Akyol: Die Hausaufgaben bzw. die Sachen, die ich als Arbeitsblatt zur Verfügung stelle – das dürfen ja die Kinder auch digital senden. Dafür gibt es nur ein Lösungsblatt und kostet nicht so viel Zeit. Durch die Erklärvideos stellen wir fest, ob die Kinder den Unterricht gut verstanden haben. Ich möchte mich von diesen klassischen Tests ablösen und zu den Kindern hinbewegen. Das bedeutet, die Kinder sollen mehr aktiviert werden, mehr tun und sich in diesem Bereich weiterentwickeln.

Frau Akyol sagt…

VR-Brillen ersetzen nicht den Unterricht oder gar die Kompetenzen der Lehrer. Das gilt ja nicht nur für die VR-Brillen, sondern für alle digitalen Tools.

5. Kommen wir zum nächsten Thema: Viele von uns kennen VR-Brillen von Kinofilmen in 3D. Sind VR-Brillen auch im Unterricht einsetzbar? Wenn ja, wie?

Frau Akyol: Grundsätzlich ja, aber sie ersetzen nicht den Unterricht oder gar die Kompetenzen der Lehrer. Das gilt ja nicht nur für die VR-Brillen, sondern für alle digitalen Tools. Sie machen das Lernen aber interessanter und andere Kolleg*innen, die noch nicht digital arbeiten, werden auf die neuen Möglichkeiten neugierig.

In einer der vorigen Kompaktwochen hatten wir das Thema „Nationalsozialismus“. Dazu nutzten wir die VR-Brillen, da die App mit Anne Frank dort bereits vorinstalliert war. Die Kinder haben einen Einblick in das Haus von Anne Frank gewinnen können, ohne nach Amsterdam zu reisen. Durch diese virtuelle Sichtweise war es für uns alle möglich, uns trotz allem in die Lage hineinzuversetzen und etwas hautnah zu erfahren, was wir in den Büchern oder Filmen nicht hätten erfahren können. Diese Art des Lernens und Erfahrens ist viel wert.

Datenschutz

6. Es ist schön, dass Sie so gute Ergebnisse sehen und dass die Kinder so stark motiviert werden. Finden Sie, dass sich durch die Digitalisierung in der Gesamtschule etwas verschlechtert hat?

Frau Akyol: Was ich als einen wichtigen Punkt in diesem Prozess sehe, ist der Datenschutz. Kinder geben viel zu viele Daten von sich preis und gehen sehr sorglos damit um. Außerdem können sie noch nicht unterscheiden, was Fake News sind. Sich zu fragen: Ist das richtig, was ich gelesen habe? Ist die Informationsquelle zuverlässig? Internet ist einerseits eine Chance, selbstständig zu lernen. Aber davon kann auch Gewalt ausgehen. Im Sinne von „ich bin da total ungeschützt“. Da muss man aufpassen und die Kinder in die Verantwortlichkeit heranziehen. Wir müssen sie dabei unterstützen, mit den Daten sensibler umzugehen.

Kinder programmieren

7. Können Sie uns verraten, welche Verbesserungen sich jetzt schon bemerkbar machen?

Frau Akyol: Wenn wir z.B. auf die letzte Woche zurückblicken, nehme ich wahr, wie die Kinder sich positiv verändern. Bei den Co-Spaces-Workshop* haben die Schüler:innen das Programmieren gelernt. Auf dem niedrigsten Niveau zwar, es sind ja nur vier Programmier-Schritte, aber wenn sie am Ende das Ergebnis sehen und durch die VR-Brille anschauen, erleben alle diese Faszination!

Ich erlebe gerade viel Interesse und Neugier von Seiten der Kinder und vor allem Erfolgserlebnis. Die Kinder haben einfach die Anweisung von dem Workshop-Leiter per Videokonferenz umgesetzt und dürfen dann ihre Kreativität einsetzen.

Die OSW ist auf dem Weg, neue Dinge auszuprobieren, die richtig innovativ sind. Wenn wir den Kinder erzählen „Du kannst Dir Schneewittchen digital gestalten“, dann sagen sie erstmal: hee, kann ich das wirklich? Natürlich haben sie kein Märchen zu Ende gestaltet, aber sie haben jetzt eine wichtige Kompetenz kennengelernt. Durch diese App lernt man zu programmieren und das ist wertvoll!

8. Das ist für die Zukunft sehr entscheidend. Programmieren wird eines Tages so selbstverständlich sein wie Englischkenntnisse oder Microsoft-Programme bedienen. Möchten Sie etwas ergänzen, was Ihnen noch wichtig ist?

Frau Akyol: Sie wissen endlich: Unsere Gesamtschule kommt mit. Die Schule hinkt nicht mehr hinterher. Sie ist dabei neue Techniken auszuprobieren. Wir können jetzt ein Herz in der Hand halten (wenn wir AR nutzen). Oder Planeten schweben im Klassenraum, oder wir stellen Embryos auf dem Tisch… Diese neue Art der Visualisierung ist in der Schule möglich. Was früher Fiktion war, ist jetzt Realität!  Auch wenn wir immer noch in dem klassischen Klassenzimmer mit Tafel und Regalen arbeiten, haben wir viele neuen Gedanken und Ideen, die wir umsetzen können.

Ich glaube, dass wir vorankommen und bin sehr glücklich, dass Sie uns unterstützen. Die OSW hat ein unglaubliches Glück in diesem Projekt mitmachen zu dürfen.

Vielen Dank für dieses inhaltsreiche Gespräch, Frau Akyol!

Das Gespräch führte Roxana Meisner-Maldonado. Weitere Informationen über das Projekt „Schule der Zukunft“ finden Sie hier.

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