Statement

Bildung für die Arbeitswelt der Zukunft bedeutet insbesondere die Stärkung einer fachübergreifenden, individualisierten Kompetenzvermittlung. In sog. „postfaktischen Zeiten“ sind es vor allem Komplexitäts- und Ambiguitätstoleranz sowie soziale, digitale und problemlöseorientierte Kompetenzen, die Menschen (berufliche) Stabilität und Selbstsicherheit im Umgang mit den künftigen Herausforderungen im Arbeitsleben vermitteln. Informationen sind heute schon jederzeit und von jedem Ort aus abrufbar – vielmehr muss der Umgang mit Informationen und ihre situativ angemessene Anwendung besser gelernt werden. Dennoch fokussieren sich Schule wie auch Ausbildung / Studium und berufliche Weiterbildung noch zu sehr auf kurzfristiges Faktenlernen. Dies bedeutet nicht, dass es nicht bestimmte Wissenselemente gibt, die alle Menschen kennen sollten. Und auch im beruflichen Kontext sind grundlegende Fachkenntnisse für die professionelle Berufsausübung selbstverständlich unerlässlich. Daher bildet Wissen auch künftig die Basis für kompetentes Handeln. Die künftige Schwerpunktsetzung von Bildungsangeboten sollte jedoch kritisch diskutiert werden:

  • Von der Aneignung und Reproduktion zur Förderung der kompetenten Anwendung (Performanz).
  • Von der umfassenden Allgemeinbildung zu mehr Lebenskompetenzorientierung.
  • Von einheitsqualifikatorischen Angleichungen an Anforderungen der Arbeitswelt zur Fokussierung der subjektiven Seite der Lernenden.
  • Von der fachlichen Wissensvermittlung im Arbeitsleben zur individuellen, selbstgesteuerten Handlungskompetenz.
  • Von punktuellen, meist fachlichen Fortbildungen, zu lebensbegleitenden Lernangeboten, die vor allem auch die zuvor skizzierten „überfachlichen Kompetenzen“ herausbilden.
  • Von eher apodiktischen Diskussionen über digitale Lernangebote zur Entwicklung sinnvoller und motivierender digitaler Lernsettings sowie deren fundierten Evaluation.

Grundlegendes Wissen und das Wissen festigende, motivierende Übungen können zukünftig viel mehr mit digitalen Angeboten vermittelt werden und damit Lehrende (und Bildungspläne) entlasten. Die klare Herausforderung besteht vielmehr darin, Wissen begreifbarer und individuell „gangbarer“ werden zu lassen, um langfristig anschlussfähig zu sein. Individualität von Lernsettings, die gleichzeitig die sozialen wie emotionalen Bedürfnisse der Menschen nicht vernachlässigen, sind didaktische Aufgaben, die es anzugehen gilt. Dies lässt der Person der / des Lehrenden eine bedeutende Aufgabe zukommen: Sie muss viel mehr Gesprächspartner bzw. Beraterin, emotionale Begleiterin und Ermöglicher sein, Neugier wecken und für Themen begeistern, zudem mit kritischen Fragen irritieren, um Lernenden die Komplexität und Unterschiedlichkeit von Perspektiven und insbesondere den Umgang damit zu verdeutlichen.
Gute digitale Lernangebote sind keine Konkurrenz für Lehrende. Sie reduzieren eher Standardaufgaben, damit sich die für Schul- und Ausbildung, für Studium und berufliche Weiterbildung verantwortliche Personen dem wirklichen Kern pädagogischen Handelns widmen können: Lebenslanges und biografieorientiertes Lernen aller Menschen als Grundlagen für eine selbstbestimmte, eigenverantwortete Lebensführung in einer komplexen Welt ermöglichen!

Prof. Dr. Frank Unger

[fzr_accordion]